Die Ortsnamenforschung in Mitteldeutschland ist bisher sehr einseitig.
Wenn bei Ortsnamen eine germanische oder deutsche Herkunft nicht nachgewiesen werden konnte, hat man sich ausschlieslich auf eine slawische Herkunft festgelegt.
Dadurch kam man zum Teil zu abenteuerlichen Deutungen.
Beispiel: Deetz
Hierzu Johannes Wütschke (nach eigenem Bekunden Nichtslawist, 1882 – ?) (S. 16 in seinem Bericht):
(Wütschke, Johannes, Mitteldeutsche Ortsnamen mit besonderer Berücksichtigung des Zerbster Raumes, Heimatmuseum der Stadt Zerbst, 1960).
1314 Detitz, 1534 Deytz, 1536 Deetze.
Zu Personennamen Děti, Dětan unter anderem Pluralform Děticy = Familie und Dorf des Děti, Kindsdorf zu altslawisch děti = Kind, kindischer Mensch
(Hey, Gustav und Schulze, Karl, Die Siedlungen in Anhalt, Verl. d. Buchhandlung d. Waisenhauses, Halle, 1905, S. 17);
oder zu asl. dědib = Großvater
(Trautmann, Reinhold, Die elb- und ostslawischen Ortsnamen, Akademie-Verlag, Berlin, 1948 und 1949, Register, 1956, II, S.105).
Das Winkelzeichen auf dem e → ě gibt an, dass nicht de, sondern dje gesprochen wird.
Auch in den heutigen slawischen Sprachen gibt es kein de-. Zwischen d und e wird immer ein Konsonant beim Sprechen eingeschoben (nicht immer geschrieben).
Vergleiche tschechisch děti (gespr. djeti) und polnisch dzieci (gespr. d-dsch-ie-zi) ´Kinder`, russisch дéти (gespr. djetchi).
Ich halte es für ausgeschlossen, dass aus djeti ein deti → detit → deetz hätte entstehen können.
Das Suffix -tz könnte eine Anpassung an slawische Sprachgewohnheiten gewesen sein. Aber vgl. auch germanisch / deutsch Hart → Harz (das Mittelgebirge).
Im Niedersorbischen heissen Kinder übrigens gólesá und Grossvater heisst stary nan.
Wenn überhaupt keine Deutung gelingen wollte, wurde einfach ein “alt-slawischer” Personenname vom Ortsnamen abgeleitet und die erfundene Person zum Gründer des Ortes erklärt. Beispiel: Deetz von Děti.
Deetz wurde erst um 650 – 700 n. Chr. von Slawen okkupiert, unter Führung der Awaren. Da war Deetz bereits ein alter Ort. Etwa um 900 n. Chr. war die germanisch-deutsche Rückeroberung abgeschlossen.
Bis 1945 gab es vier Orte mit dem Namen Deetz. Heute sind es nur noch drei. Ein Deetz östlich der Oder (früher Landkreis Soldin, Brandenburg) heisst seit 1945 Dziedzice (gespr. D-dsch-ied-dsch-ize), als Ergebnis der Übersetzung von Deetz ins Polnische.
Funde aus der Bronzezeit in Deetz
Archäologische Funde in Deetz / Zerbst legen nahe, dass Deetz spätestens in der jüngeren Bronzezeit, etwa um 1200 – 1100 v. Chr, dauerhaft besiedelt war. Der Grund war wohl, dass die wenig fruchtbaren Böden im Vorfläming erst durch die Erfindung von Bronzegeräten, insbesondere der Bronzesichel wirtschaftlich nutzbar geworden sind. Die teilweise kargen Böden waren für die Art des Ackerbaus in der Jungsteinzeit zu wenig ertragreich gewesen.
Wichtige Hinweise auf eine dauerhafte Besiedelung in der Bronzezeit sind die Bronzefunde.
In Deetz wurde 1822 ein Hortfund entdeckt mit 42 Bronzesicheln, bzw. Sichelfragmenten aus der jüngeren Bronzezeit. Es konnten drei Arten von Sicheln nachgewiesen werden, vermutlich jeweils geeignet für einen besonderen Bodentyp. Die meisten Sicheln sind schwere Sicheln Typ Frankleben (Unstrut-Gruppe), die Sicheln Typ Bösel (Lüneburg-Gruppe) sind fast gleich schwer. Sicheln Typ Ältere Lausitz sind leichter.
Ausserdem wurden zwei Bronze-Fibeln geborgen (eine Spiralplattenfibel mit gedrehtem Bügel und eine Spiralplattenfibel mit ovalem Blattbügel).
In jüngerer Zeit (ab 2001) konnte eine bronzezeitliche Urnen-Grabanlage an Hand von Scherben nachgewiesen werden. Vermutlich ist es der Standort, an dem die Spiralplattenfibel mit gedrehtemBügel (Typ Spindlersfeld) gefunden wurde. (Finder der Scherben Landwirt Mathias Mösenthin, Deetz).
(Bericht Ulrich König, Mathias Mösenthin, Bronzezeitliche Scherben im Deetzer Spargelacker, 23.05.14)
Liste Deetz-ähnlicher Ortsnamen
Wenn man schon früher heraus gefunden hätte, dass 4 Orte mit dem Namen Deetz existiert haben und dass es viele Orte gibt, die das Stammwort det enthalten oder analoge Wörter, hätte man sofort gewusst, dass Deetz ein sehr alter Ort sein muss. Und dass der Name Deetz aus einer Zeit stammen muss, in der Ortsnamen Landschafts-Bezeichnungen waren.
Hier eine Reihe von Deetz-ähnlichen Ortsnamen.
Detmold, Dettelsau, Dettingen, Dettelbach, Dettenbrunn, Detteldorf, Dettelhausen, Dettingen, Dettensee, Deute, Deutmecke, Deutz, Dieten, Dietfurt, Dithmarschen, Dietz, Diez.
Dittersbach wird im Namenverzeichnis zum Andreas Handatlas, 1928, insgesamt 13-mal genannt. Von diesen Orten waren vor 1945 zwei Orte in Polen, einer bei Sagan (heute Dzietrzychowice) und einer bei Waldenburg (heute Podgórze).
In Tschechien gab es vier Orte Dittersbach, ein Ort bei Friedland (heute Dětrichow), ein Ort bei Halbstadt (heute Jetrichov), ein Ort in der Böhmischen Schweiz (heute Jetrichovice), ein Ort bei Politschka (heute Stašov).
Die genannten Orte waren alle am Wasser oder Sumpf, und sind es meist noch heute – wie die vier Orte mit dem Namen Deetz.
Das namengebende Wort für Deetz muss also einmal ein Wasserwort gewesen sein und Bestandteil einer sehr alten, heute nicht mehr lebenden Sprache.
Der berühmte Sprachforscher Hans Krahe (1898 – 1965) formulierte
“Denn wo Ortsnamen einer bestimmten Sprache in größerer Zahl sich finden, da muß auch die betreffende Sprache selbst gesprochen worden sein, müssen Angehörige des diese Sprache sprechenden Volkes gelebt haben. Und so läßt sich denn gerade infolge der Raumgebundenheit der Ortsnamen das einstige Siedlungsgebiet später untergegangenener Völker oft mit großer Genauigkeit bestimmen”.
(Hans Krahe, Sprache de Urzeit, Verl. Quelle& Meyer, Göttingen, 1954, S.38)
Das bedeutet auch, dass die grosse Zahl Deetz-ähnlicher Wörter einmal zu einer gemeinsamen Sprache gehört haben müssen und dass alle Deetz-ähnlichen Orte aus der gleichen Gründerzeit stammen müssen und dass alle diese Ortsnamen sehr alt sein müssen.
Für Deetz bedeutet das,
– dass der alte Name von Deetz ursprünglich eine Landschaftsbezeichnng war,
– dass es den Namen Deetz, wenig verändert, mindestens seit der jüngeren
– Bronzezeit gibt,
– dass der Name Deetz, wenig verändert, von allen jeweiligen Bewohnern
übernommen wurde, unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit und ihrer
Sprache.
Deetz-ähnliche Wörter im deutschen Sprachschatz
Im Dialekt
Bayrisch Detsch ist ´Mist`.
Süddeutsch Detz ist ´Jauche, Mist`.
Süddeutsch Deut ist ´Sumpf, Schilf`.
Mitteldeutsch über Braunschweig bis Rheinland: „Du bist ja detsch“, bedeutet soviel wie „Du bist ja matschig im Kopf“.(Dabei wird gern bezeichnend an den Kopf getippt).
Bewahren des Wasserwortes det im Albanischen
Ich habe viele Sprachbücher gewälzt, um herauszufinden, ob es noch eine europäische Sprache gibt, in der das Wasserwort det überlebt hat.
Zu meiner Überraschung bin ich ausgerechnet beim Albanischen fündig geworden. Im Albanischen heisst det ´See, Meer`.
Das Albanische hat also ein altes Wasserwort bewahrt, das es in der deutschen Hochsprache nicht mehr gibt, nur noch in Dialekten.
Das Wort det oder Ähnliches gibt es in slawischen Sprachen nicht.
An anderer Stelle beweise ich, dass die Ur-Albaner die sagenhaften Wenden gewesen sind, die bis zur Invasion der Slawen unsere direkten Nachbarn waren.
Die Folge der Invasion der Slawen war das Verschwinden der Wenden – bis auf ihre Ortsnamen !
Das Ur-Albanische dürfte im Kern eine baltische Sprache gewesen sein.
Ich habe etwa 170 Isoglossen in einem Wörterbuch Deutsch-Albanisch zusammen gestellt. Isoglossen sind Wörterpaare, bzw. Wortfamilienpaare, die es nur in zwei Sprachen gibt. In diesem Fall im Albanischen und im Deutschen und in keiner anderen Sprache.
Aus so vielen Isoglossen ergibt sich zwingend eine frühere direkte Nachbarschaft.
Die vielen uns fremd vorkommenden Ortsnamen sind nicht slawischer Herkunft, sondern ur-albanischer / wendischer Herkunft.
Der Wissenschaft ist bekannt, dass die Albaner auf ihrem heutigen Siedlunggebiet nicht autochthon sein können.
P.S.
Der Name der Sachsen und der Name der Wanen hat in der germanischen Sage einen dichterischen Widerhall gefunden.
Nach meiner festen Überzeugung haben im germanischen Göttergeschlecht der Asen sprachlich die Sachsen überlebt, im germanischen Göttergeschlecht der Wanen sprachlich die Wenden, die Ur-Albaner.
Der Wanenkrieg der isländischen Saga erinnert an die Auseinandersetzung der Sachsen und der Wenden.
Denn die Wanen tragen alle fremdländische Namen. Mit Hilfe des Albanischen lassen sie sich alle etymologisch sinnvoll deuten (siehe meine Arbeit “Der Wanenkrieg”).