Zwei bronzezeitliche Spiralplattenfibeln aus Deetz

Vorwort

 

Bei der Suche nach meiner Herkunft, habe ich schon in den 1950er Jahren damit begonnen, mich mit der Geschichte meines Geburtsortes Deetz, damals Krs. Zerbst, zu befassen.

Dabei stiess ich auf den umfangreichen, bronzezeitlichen Deetzer Hortfund von 1822 (Deetz 1 in der Literatur) und eine Bronzefibel, 1889 ausgegraben (Deetz 2 in der Fachliteratur).

Beide Funde wurden auf den Äckern meiner Vorfahren gemacht.
Ein besonderer Grund mich mit beiden Funden gründlich zu beschäftigen.

Beim Studium der Fibel stellte sich heraus, dass noch eine zweite bronzezeitliche Fibel in Deetz gefunden worden ist, deren Fundumstände nicht überliefert worden sind.

Die beiden bronzezeitlichen Fibeln aus Deetz

– Eine Spiralplattenfibel mit gedrehtem Bügel (Deetz 2) und
– eine Spiralplattenbibel mit ovalem Blattbügel (hier Deetz 3 genannt).

Bild 1. Gegenüberstellung: Spiralplattenfibeln Deetz 2 und Deetz 3

Zu. Spiralplattenfibel mit gedrehtem Bügel (Deetz 2).
    Typ Spindlersfeld
    Fund von 1889.
    In der Archäologie Deetz 2 genannt  (W. A. v.Brunn, Abb. in Tafel 34, 12)

1889 liess meine Ur-Großmutter Friederike Großkopf, in Deetz, ein Steinkisten-Gemeinschaftsgrab, mit Urnen, ausgraben. Zur Steine-Gewinnung, denn es war wieder einmal eine Wirtschaftskrise. Und es wurden Bronzeschmuckstücke gefunden – und verkauft.

Vermutlich hat es sich um ein Steinpackungsgrab gehandelt.
Denn v.Brunn schreibt in seinem Buch “Steinpackungsgräber von Köthen” nur über diese Art von Steinkistengräbern während dieser Zeit.
In Steinpackungsgräbern waren Urnen zwischen Steinen eingebettet. (W. A. v.Brunn, Steinpackungsgräber von Köthen, Akademie-Verl., Berlin, 1954, 15). Der Gedanke war Grabschutz durch Steine. Nachträgliche Beigaben wurden in Beigefässe getan.
Das hat man wohl auch mit dem Bronzeschmuck, einschliesslich Fibel, so gemacht.

Das Steinkistengrab in Deetz war auf einem Acker des Thielen-Großkopf-Hofes. Vermutlich ist es ein flaches Steinkistengrab gewesen. Besitzerin war meine Ur-Großmutter Friederike Großkopf, geb. Großkopf (05.02.1844 – 27.03.1923).

Mein Ur-Großvater (28.08.1845 – 15.03.1888) war im selben Jahr von einer Pappel erschlagen worden. Vater und Stiefmutter (letztere = Tante) starben 3 Jahre vorher). Es war wieder einmal eine Wirtschaftskrise. Meine Uroma war in grosser Bedrängnis.

Der wichtigste Fund war eine Spiralplatten-Fibel mit zweifachem Kreuzbalken und rechts gedrehtem Bügel. Der Fibel-Typ wird nach Sprockhoff (Sprockhoff, Ernst, 1938) auch Spindlersfelder Fibel genannt. Nach einem Fundort in Berlin-Spindlersfelde. Die Fibel war 23 cm lang und vom Lausitzer Typ.

Die Fibel galt bisher als verschollen. Deshalb habe ich vom Restaurator Frank Trommer, Blaubeure,n für mich im Jahr 2007 mehrere Fibeln nachgebaut.

Fundort

Zum Fundort siehe die Arbeit “Bronzezeitliche Scherben im Deetzer Spargelacker”, Ulrich König, Mathias Mösenthin.
Fundbericht
Fassung: Oktober 2006
Osten: 12°10’33“; Westen: 52°02’50“

Bild 2. Foto des Nachbaus der Spiralplattenfibel mit gedrehtem Bügel
(Restaurator Frank Trommer, Blaubeuren, 2007. Frank Trommer hat sich beim Landesamt für Archäologie in Halle genauer über den Mechanismus informiert).

Das Original wurde um 1100 v. Chr. hergestellt, in der jüngeren Bronzezeit. Über den Fund hat 1892 der neue Pfarrer in Lindau, Heinrich Becker, veröffentlicht,  mit einer einfachen Zeichnung. (Heinrich Becker, Zeitschr. f. Ethn. 24, 1892, 352-361).
Becker war für Deetz gar nicht zuständig, sondern ganz neu für das benachbarte Lindau. Vorlage für den Nachbau war diese Zeichnung von Heinrich Becker.

Die Fibel wurde von Uhrmacher P. Schwenke in Zerbst gekauft, der sie an Pfarrer Heinrich Becker ausgeliehen hat.

Die erste archäologische Untersuchung wurde vom Königsberger Archäologen Otto Tischler (24.07.1843 – 18.06.1891) vorgenommen, auf Bitte von Pfarrer Heinrich Becker. Vielleicht war es die letzte archäologische Bewertung, die Tischler vornahm (sein Brief war vom 22. Nov. 1892), denn er starb kurz danach, nach schwerer Krankheit. (Tischler war es auch, der den 1886 den Begriff Urnenfelder Kultur eingeführt hatte).
Andere Funde hat Becker nicht zu sehen bekommen. Er hat nur noch von einer Armspange erfahren.

Am 08.09.17 erreichte mich, zu meiner Freude ein E-Mail, von Frau Yvonne de Bordes, Magazinverwalterin im Schloss Charlottenburg, mit der Mitteilung, dass diese Fibel 1904 von einem P. Schwenke, Zerbst, in zerbrochenem Zustand, aber komplett, an das Museum für Vor- und Frühgeschichte, Berlin, verkauft worden sei. Die Fibel hat die Objektnummer IIb 2865. Im Telefongespräch am 11.09.17 sagte mir Frau de Bordes, dass man die Fibel wieder zusammen setzen könnte.

Hier ein Bild dieser Fibel.

Foto: Yvonne de Bordes

Zur Armspange schreibt Becker, „dass der Käufer des betreffenden Armbandes Hr. Förster Storbeck in Gränert bei Brandenburg ist“.

Eduard Storbeck (07.07.1851 – 03.12.1893) war der Schwager von Friederike Großkopf. Seine Frau war Marie Storbeck, geb. Großkopf (20.10.1857 – 22.12.1936). Ihre Tochter war Agnes Schmitz, geb. Storbeck (1885 – 16.08.1973). Agnes Schmitz ist 1973, mit 88 Jahren, nach einem Sturz gestorben, an den Folgen eines Oberschenkel-Halsbruches.

Im Nachlass der kinderlos verstorbenen Agnes Schmitz, geb. Storbeck (Tante Agnes) (ihre Brüder waren ebenfalls kinderlos), der Tochter von Förster Eduard Storbeck und seiner Frau Marie Storbeck, geb. Großkopf, fanden sich – nach Mitteilung meines Vetters Eckhart Stoltzenburg, Berlin, weder eine Armspange aus Bronze, noch sonstiger Bronzeschmuck.

Eckhart Stoltzenburg (geb. 09.11.1938), ist Sohn von Helene Stoltzenburg, geb. Großkopf (07.02.1909 – 14.08.1990), der jüngeren Schwester meiner Mutter Charlotte König, geb. Großkopf  (22.06.1905 – 09.01.2001) und von Heinz Stoltzenburg, (07.02.1907 – 1989).

Eckhart hat mir das Telefonverzeichnis-Büchlein von Tante Agnes gegeben. Mit dessen Hilfe habe ich einen Verwandten kontaktiert. Einen Neffen von ihr (Sohn einer Schwester ihres Mannes) habe ich im März 2007 schriftlich und telefonisch angesprochen. Der Neffe, ein Zwilling, war seinerzeit 89 Jahre alt: Dr. med. Lothar Begas. Er und sein Bruder, der ebenfalls noch lebte und den er selbst in dieser Sache angesprochen hatte, hätten Tante Agnes nie kennen gelernt.

Tischler datierte die Fibel wie folgt (Becker, 361): „zwischen dem 6. (oder 7.) und 9. (oder 10.) Jahrhundert v. Chr.“ und präzisiert „-sagen wir um das 8. Jahrhundert v. Chr., dann wird die Schätzung eine nicht zu falsche sein“.

W.A. v. Brunn hat später etwas älter eingeordnet: Hallstatt A1 (Mitteleuropa) = Periode 3 nach Oscar Montelius (1843 – 1921), Nordeuropa). Das entspricht absolut 1100 – 1000 v. Chr.
(Wilhelm Albert v. Brunn, Mitteldeutsche Hortfunde der jüngeren Bronzezeit, de Gruyter, Berlin, 1968, S. 117 u.. 314, Abb. Tafel 34, 12).

2. Spiralplattenfibel mit ovalem Blattbügel
   Hier Deetz 3 genannt
   Variante Schafstädt

Über die Blattbügelfibel gibt es keinen Fundbericht. Es soll ein Einzelfund gewesen sein. Offenbar ebenfalls aus einem Grab. Hierzu v.Brunn (v.Brunn, 160): “Die älteren Fibeln stammen nur aus Gräbern, zu denen deshalb wohl auch der Fund von Deetz 2 zu stellen ist”. (Abb. v.Brunn, Tafel 204, 2). Also wohl auch der Fund der Fibel mit Blattbügel.

Von dieser Fibel gibt es ein Foto der Landesanstalt (Archäologie), Halle, Dez. 1943 mit Angabe der Grösse: ¾ (15,4 cm). Demnach müsste die Originalgrösse 20,5 cm gewesen sein. (Foto erhalten von Fr. Dr. Regine Maraszek, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, Halle).

Zur Bandbügelfibel / Blattbügelfibel sagt v.Brunn (v.Brunn, 162): “Ein Exemplar von Deetz bei Zerbst (Tafel 204, 2) hatte Bandbügel mit unverziertem Mittelstreifen, stellte also ein Zwischenglied zwischen der Schafstädter und der mecklenburgischen Bandbügelfibel (Variante Zachow) dar”.

Die Schafstädter Fibel (Schafstädt, Krs. Merseburg) wird Ha A1 zugeordnet = Periode 3 (v.Brunn, 337).

Über den Verbleib der Deetzer Bandbügelfibel habe ich leider bisher nichts erfahren. Diese Fibel könnte wirklich verschollen sein.

Die Tafel 13, von Ernst Sprockhoff, 1937, zeigt die Verbreitung jungbronzezeitlicher Fibeln vom Lausitzer Typ.
Interessant ist, dass auch auf Inseln der Ostsee, in Hortfunden der nordischen jüngeren Bronzezeit, Periode 4, 950/920 – 1100 v.Chr., Lausitzer Fibeln geborgen wurden.
Vielleicht ist das ein Hinweis darauf, dass die Lausitzer direkten Zugang zur Ostsee hatten.

Die Lausitzer müssen die sagenhaften Wenden der germanisch-deutschen Überlieferung gewesen sein. Die sprachlichen Nachfolger der Wenden sind die heutigen Albaner. Mit der Sprache der Lausitzer habe ich mich an anderen Stellen ausführlich auseinandergesetzt.

Ergebnis:

  • Die Lausitzer haben während der jüngeren Bronzezeit ein riesiges Gebiet in Mitteleuropa bleibend kolonisiert. Man erkennt es heute noch am Wortstamm vieler Ortsnamen. Ich habe eine Sammlung von Ortsnamen wendisch-albanischer Herkunft angelegt.
  • Wenden und Germanen müssen einmal direkte Nachbarn gewesen sein. Man erkennt das an zahlreichen Isoglossen. Isoglossen sind Wörter oder Wörterpaare, die nur in zwei Sprachen vorkommen und eine frühere gemeinsame Grenze beweisen. Ich habe ein Wörterbuch deutsch-albanischer Isoglossen angelegt.
  • Die Namen des Göttergeschlechts der Wanen (!) in der alt-isländischen Literatur lassen sich nur mit Hilfe des Albanischen sinnvoll deuten. Es wird von einem Wanenkrieg berichtet. Vor dem Slawensturm um 600 n. Chr. musss also eine intensive Auseinandersetzung zwischen Germanen, vermutlich Sachsen = Asen und Wenden = Wanen stattgefunden haben. Ich habe mich mit dem Wanenkrieg, über den viermal in der Edda viermal berichtet  wird, auseinandergesetzt.

 

Verbreitung von Fibeln vom Lausitzer Typ (Periode 4), nach Ernst Sprockhoff, 1937

Literatur

  • Becker, Heinrich; Zeitschr. f. Ethn. 24, 1892, 352-361.
  • de Bordes, Yvonne; Magazinverwalterin; Sekretariat MVF Charlottenburg; Museum für Vor- und  Frühgeschichte; Staatliche Museen zu Berlin; Schloss Charlottenburg – Langhausbau; Spandauer Damm 22, 14059 Berlin.
  • Maenicke, Herman, Bodenfunde im Kreis Zerbst, Beiträge zur Zerbster Geschichte, Heft 8, Heimatmuseum der Stadt Zerbst, Zerbst, 1967
  • Sprockhoff, Ernst; Jungbronzezeitliche Hortfunde Norddeutschlands, Verl d. Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Mainz, 1937. Mit Kap. ü. Lausitzer Fibeln; Karte 13, Verbreitung Lausitzer Fibeln u. m. Abbildung d. Deetzer Fibel.
  • v. Brunn, Wilhelm Albert; Steinpackungsgräber von Köthen, Akademie-Verl., Berlin, 1954, 1.
  • v. Brunn, Wilhelm Alber; Mitteldeutsche Hortfunde der jüngeren Bronzezeit, de Gruyter, Berlin, 1968, S. 117 u.. 314, Abb. Deetzer Spindlersfelder Fibel Tafel 34, 12.
  • Wütschke, Johannes; Mitteldeutsche Ortsnamen, Beiträge zur Zerbster Geschichte. Heft 6, Heimatmuseum der Stadt Zerbst, Zerbst, 1960.

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